Die verborgene Welt der Geisha

Die verborgene Welt der Geisha

Spätestens seit dem gleichnamigen Buch und Film kennen wir die Geisha: Weiß geschminkte, elegante japanische Schönheiten, die nach einer harten Ausbildung Meisterinnen der höheren Kunst und Unterhaltung werden. Aber wie viel wissen wir wirklich über sie, die erst in den dunklen Stunden des Tages in Erscheinung treten?

Welt der Blumen und Weiden

Geisha setzt sich aus Gei – „Kunst“ und Sha – „Person” zusammen, Geisha sind also Künstlerinnen. Seit 1813 ist dieser Beruf in Japan erst offiziell anerkannt, die Ursprünge dieser Tradition liegen aber schon in der Edo-Periode, die 1603 begann. Die Geisha-Kultur entwickelte sich in Japan aus der Welt der Kellnerinnen und Kurtisanen, Geisha sind aber alles andere als hochklassige Prostituierte. Die traditionellen Oiran, mit denen sie nicht verwechselt werden sollten, gibt es heute nicht mehr. Diese sind die „Blumen“, Geisha wiederum die „Weiden“ in der „Welt der Blumen und Weiden“, Karyukai, wie die Kultur der Geisha genannt wird.

Geisha Blumenmuster

Geisha leben und arbeiten in sogenannten Hanamachi, „Blumenvierteln“. Auch in Tokyo, Osaka, Shizuoka und Kanazawa gibt es noch Hanamachi. Dort findet man auch die Teehäuser, Ochaya, in denen sie ihre Gäste empfangen und unterhalten. Das wohl bekannteste Hanamachi ist Gion Kobu in Kyoto, Japans Kulturhauptstadt, wo man auch heute noch die berühmtesten Geisha und fünf Hanamachi findet. Nur in Gion-Kobu werden in Japan auch internationale Diplomaten und Staatsgäste unterhalten. Geiko werden übrigens ausschließlich Geisha aus Kyoto genannt, Maiko sind Geiko in der Ausbildung. Hier wird die Welt der Geisha am Beispiel Kyotos vorgestellt, deshalb finden die Begriffe Geiko und Maiko Verwendung.

Während früher arme Familien in Japan ihre Töchter in die Ausbildung zur Geisha geschickt haben, um ihnen ein sicheres Leben und Einkommen zu sichern, ist Geisha heute ein Beruf wie jeder andere. Manch ein Mädchen entscheidet sich dafür, um einmal als Model, Schauspielerin oder Sängerin berühmt zu werden. Sie muss dann aber einen großen Teil des modernen Komforts aufgeben und in eine Welt treten, in der Traditionen, strenge Regeln und viele herausfordernde Jahre der Lehre auf sie warten.

Ein Leben unter Frauen der Künste

Angehende und junge Geisha leben in einem Okiya, einer Unterkunft, die auch die Kosten für ihre Ausbildung trägt. Das ist nicht gerade wenig: Ein einzelner Kimono kann bereits umgerechnet Tausende Euro kosten. Die Herrin des Hauses wird „Mutter“ oder „Tante“ genannt und verwaltet Ausgaben und Einkommen aller Geisha im Okiya. Die anderen Geisha sind Schwestern – aber trotz des familiären Anscheins herrscht strenge Hierarchie nach Alter und Stufe der Ausbildung. Obwohl sie ihrem Zuhause den Rücken kehren muss, kann die angehende Geisha in ihrer Freizeit ihre Familie besuchen und Besuch bekommen. Außer den Geiko und Maiko findet man in einem Okiya auch Hausmädchen, die in der Hierarchie unter den Geisha und Maiko stehen – aber keine Männer. Diese können, mit Ausnahme der Friseure und Ankleider, die ihnen beim Anlegen des Kimono helfen, offiziell nur bis zum Empfangsraum eintreten. Bekommt eine Geisha einen Sohn, muss sie ausziehen und eine eigene Unterkunft finden.

Wenn ein Mädchen ihr Training zur Geisha beginnt, ist sie meist noch ein Kind. Nach heutigem Gesetz muss sie mindestens die Junior High School abgeschlossen haben, bevor sie mit der Ausbildung beginnen kann, also ungefähr mit 15 Jahren. Bis sie sich eine ausgebildete Geisha nennen kann, hat sie jedoch noch mindestens fünf Jahre des Trainings vor sich.

Die junge Schülerin kommt zunächst in die erste Stufe ihrer Ausbildung: Shikomi. In dieser Zeit arbeitet sie in ihrem Geisha-Haus zunächst als Hausmädchen und ist für dessen Reinigung zuständig. Gleichzeitig geht sie zur Geisha-Schule des Viertels, wo sie Tanz, Musik und traditionelle Künste wie Ikebana, Teezeremonie und Kalligraphie lernt. Sie bekommen eine Geiko zugewiesen, die Mentorin, Lehrerin und so etwas wie eine große Schwester für die angehende Geisha wird.

Die Maiko und ihre große Schwester

Nachdem sie nach einigen Monaten eine Prüfung abgelegt hat, um zu zeigen, dass sie das Tanzen beherrscht, darf sie zum Minarai übergehen. Sie begleiten und beobachten ihre „große Schwester“ bei ihrer täglichen Arbeit in einem Teehaus, das sie sponsert. Minarai sollen aber noch nicht ihre Talente zeigen und keine Gespräche mit Kunden anregen – ihr farbenfroher und reich verzierter Kimono und Schmuck spricht für sie. Sie darf dafür Tee einschenken, und lernt die Kunst der Konversation und diverse Spiele von der Mutter des Okiya.

Geisha mit gelb-rotem Kimono

Nach ein oder zwei Monaten kommt die letzte Phase der Ausbildung. Dann wird sie offiziell Maiko genannt – „Kind des Tanzes“. Bei ihrem Debüt, das Misedashi genannt wird, darf die neue Maiko erstmals aktiv bei Veranstaltungen mitmachen: Tänze darbieten, Lieder vortragen und Musik spielen gehört dazu. Ihr Alltag ist mit Unterricht, Hausarbeit, Besuchen und Auftritten gefüllt, zusätzlich können sie einen Nebenverdienst als Model, im Film oder Theater erzielen. Nach einigen Jahren ist die Maiko auch perfekt darin, sich zurechtzumachen und hat ihren neuen, professionellen Namen ausgewählt. Ihre große Schwester entscheidet schließlich, wann sie bereit ist, sich Geiko zu nennen und die Initiationszeremonie, Mizuage, zu feiern. Normalerweise ist sie dann 20 oder 21 Jahre alt.

Die neue Geisha kann entweder Tachikata werden, die sich auf Tanz spezialisiert, oder als Jikata hauptsächlich ein Instrument spielen und singen. Am häufigsten findet man das einsaitige Zupfinstrument Shamisen, aber Jikata beherrschen auch das dreizehnsaitige Koto, die Bambusflöte Shakuhachi, oder die kleine Handtrommel Tsuzumi. Beide unterhalten ihre Kunden gemeinsam. Als Tachikata muss eine Geisha länger lernen, ist aber in der Regel jünger, wenn sie debütiert. Dafür ist als Jikata das Aussehen nicht so wichtig: Sie spielt eher die untergeordnete Rolle.

Eine Geisha kann aber auch das Okiya erben und die Nachfolgerin ihrer Herrin werden – Atotori. Dafür muss sie schon in jungen Jahren ausgebildet werden, im Idealfall wächst sie seit der Geburt im Okiya auf. Wenn sie aber dafür von der Herrin des Okiya aus einer anderen Familie adoptiert wird, nimmt sie auch den Nachnamen der Familie an. Eine Atotori wird von allen anderen Mitgliedern des Okiya fast so respektvoll behandelt wie die Herrin.

Auch Kleider machen Geiko

Geishas tragen immer einen Kimono, dazugehöriges traditionelles Schuhwerk, eine aufwändige Frisur mit ziervollem Haarschmuck, und akzentuiertes Make-up. Das ist schwerer, als es sich anhört: Zusammen kann ihre Kleidung bis zu 20 kg wiegen. Kimonos sind für eine Geisha fast so etwas wie ein Heiligtum – Kunstwerke, bei deren Entstehung sie mitwirken, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und die viel über den Status und die Herkunft ihrer Trägerin aussagen können.

Drei Geisha mit Sonnenschirmen

Das Gesicht, der Hals und das Dekolleté der Geisha wird mit einer speziellen Ölpaste fundiert, weiß geschminkt, und einige ausgelassene Streifen am Haaransatz und am Nacken sollen die Länge und Fragilität des Halses betonen. Augen und Augenbrauen werden schwarz hervorgehoben. Diese Schminke wurde schon lange von Tänzern und Schauspielern gleichermaßen benutzt, um die Wirkung auf der Bühne hervorzuheben und dem Schönheitsideal einer weißen Haut zu entsprechen.

Es gibt aber große Unterschiede darin, wie Geiko und Maiko sich kleiden und schminken. Das zeichnet eine Maiko aus:

  • Der Kimono hat ein farbenfrohes, saisonales Muster, einen breiten, langen Obi, Gürtel, und lange, ausfallende Ärmel
  • Der Kragen trägt rote, goldene und weiße Farben
  • An den Füßen tragen Maiko hölzerne Okobo mit 15 cm hohem Absatz, um den Saum des Kimono nicht am Boden schleifen zu lassen
  • Die Frisuren sind so kunstvoll gemacht, dass Maiko ihre Haare nur etwa einmal die Woche waschen, um Stunden an Vorbereitungen zu sparen. Alle fünf Tage gehen sie zum Friseur, und dürfen nur auf einem speziellen erhöhten Holzgestell mit einem dünnen Kissen darauf schlafen, um die Frisur nicht zu ruinieren
  • Die bekannten blumenförmigen Haarnadeln, die ihnen bis zum Kinn reichen – Hanakanzashi – tragen nur Maiko im ersten Jahr ihrer Ausbildung
  • Nur dann tragen sie auch nur an der Unterlippe Lippenstift, ab dem zweiten Jahr sind beide Lippen rot geschminkt
  • Maiko haben mehr Farbe im Gesicht: Sie heben ihre Augenbrauen rot oder pink hervor und geben auch an den Augen rote Schminke hinzu

 

Die Geiko dagegen kann man daran erkennen:

  • Ihr Kimono ist an den Ärmeln kürzer, dunkler und schlichter– ein Zeichen für Reife und Eleganz
  • Eine Geiko kann nur einen weißen Kragen haben. Die Zeremonie des „Kragenwechsels“, wenn eine Maiko zur Geiko wird, heißt Erikae: Das Rot im Kragen ist ein Symbol der Kindheit
  • Damit der lange Saum des Kimono den Boden nicht berührt, muss eine Geisha die Kunst lernen, beim Laufen den Kimono zu raffen. Geiko greifen daher auf niedrigere Sandalen zurück: Zori aus Stoff oder hölzerne Geta
  • Wenn eine Maiko zur Geiko wird, wird ihr Haarknoten feierlich abgeschnitten: Dann tragen sie auch einfache Perücke über ihrem Haar
  • Auch der Haarschmuck und das Make-up wird schlichter

Der Alltag einer Geisha

Auch nachdem sie ihre Ausbildung beendet hat, besucht die Geisha den Unterricht und wird von der Hausherrin unterstützt, die bei der Verwaltung ihrer Karriere hilft. Sie muss im Gegenzug die Kosten für ihre Ausbildung zurückzahlen. Fünf bis sieben Jahre bleibt sie dafür im Okiya, mit dem sie eine lebenslange Verbindung hat. Danach zieht sie aus und beginnt ihre unabhängige Laufbahn.

Geisha werden vor allem bei privaten Feiern oder Banketten gebucht, die Ozashiki genannt werden und von einem wohlhabenden Kunden eines Teehauses für geladene Gäste organisiert werden. Sie können aber auch zu anderen Veranstaltungen eingeladen werden, oder auch zu ihren Kunden nach Hause. So ein Abend, zusammen mit gutem Essen und Getränken, kann schnell Tausende von Euro kosten. Geisha bekommen zusätzlich auch Trinkgeld, sodass ihr Verdienst allein an einem Abend umgerechnet Hunderte Euro betragen kann. Das Essen dürfen die Geisha dafür aber, außer bei speziellen Einladungen, nicht anrühren.

Ihre Arbeit besteht nicht nur in der kunstvollen Unterhaltung, Einschenken von Sake und Konversation, sondern auch darin, ihren Kunden zu schmeicheln und sie sich gut fühlen zu lassen. Dafür muss eine Geisha viel Enthusiasmus aufbringen, in schwierigen Situationen ihre Ruhe bewahren und die Harmonie zwischen den Besuchern aufrechterhalten. Humor, Scharfsinn und Verspieltheit gehören nicht zuletzt zu den Eigenschaften, die sie besitzen muss. Vor einem Ozashiki informiert sich eine Geisha über ihren Gast, und soll sich auch in aktuellen Nachrichten, traditionellen Künsten und moderner Literatur auskennen. Ein Ozashiki muss aber nicht allzu formell sein, er kann auch in unbefangenen gemeinsamen Tänzen, Spielen und Lachen münden.

Tagsüber bilden sich die Geisha weiter, verwalten ihre Termine und besuchen die Besitzer der Teehäuser, für die sie arbeiten. Soziale Kontakte sind essentiell für den Erfolg einer Geisha.

Jeden Abend legen sie ihren Kimono mithilfe eines Ankleiders an und schminken sich, selbst wenn sie mal nicht arbeiten müssen – für den Fall, dass sie doch spontan zu einem Ozashiki gerufen werden. Sie verweilen nicht immer den ganzen Abend auf einer Feier, sondern können an einem Abend auf drei, vier oder mehr verschiedenen Veranstaltungen erscheinen. Wenn sie abends nach Hause kommen, ist es dann schon nach Mitternacht. Nach einem obligatorischen Bad, das jeder Japaner abends nimmt, nächtlichem Imbiss und Entspannung gehen sie nicht selten erst um 2 oder 3 Uhr nachts ins Bett. Die Hausmädchen müssen ebenfalls aufstehen, um ihnen beim Ablegen ihrer schweren Kleidung zu helfen.

Drei Geisha im Kimono

Platz für Romantik?

Dass Geisha nur Männer unterhalten, ist lediglich ein Mythos: Auch Frauen können ein Ozashiki abhalten, und manchmal werden auch ganze Familien mitgebracht. Die Aufgaben einer Geisha beinhalten keine sexuellen Dienste, und sie verkaufen auch nicht ihre Jungfräulichkeit an Kunden, wie die Oiran es einmal getan haben. Diese Verwirrung entstand mit dem Emanzipationsakt 1872, nach dem die Arbeitsbedingungen beider Gruppen festgelegt wurden, da beide vom Westen fälschlicherweise als Sklavinnen angesehen wurden. Prostituerte haben sich in Japan zwar auch das Image der Geisha zunutze gemacht, aber man kann sie zum Beispiel leicht daran erkennen, dass ihr Obi vorne gebunden ist – und nicht hinten wie bei der Geisha. Geisha können einen Gönner – Danna – erlangen, der ihre Ausgaben bezahlt und mit dem sie eine intensivere Beziehung führen als mit anderen Kunden. Ein Danna für eine Geisha zu sein können sich nur wenige leisten, weshalb es in Japan als Statussymbol gilt. Manchmal entstehen auch romantische Beziehungen zwischen einer Geisha und einem ihrer Kunden. Nicht wenige entscheiden sich nach Jahren der Arbeit gegen eine Fortsetzung ihrer Laufbahn, und stattdessen für Heirat und Familienleben. Wie zum Beispiel Mineko Iwasaki, die wohl berühmteste Geiko Japans, auf deren Arthur Goldens „Die Geisha“ basiert. In ihren eigenen Memoiren „Die wahre Geschichte der Geisha“ erzählt sie, wie das Leben in der Welt der Blumen und Weiden wirklich aussieht.

Wenn man heute abends in den diversen Hanamachi in Japan unterwegs ist, kann man mit etwas Glück selbst eine Geisha beobachten. In Gion in Kyoto, sowie im nahegelegenen Maruyama-Park trifft man besonders oft Geiko und Maiko auf dem Weg zur Arbeit an. Besonders sollte man aber in kleineren Gassen Ausschau halten, da Geisha belebte Straßen und Plätze meiden. Ihren Tanz und andere Künste können in speziell angelegten Shows bestaunt werden, und im April findet das größte Festival der Geisha-Kultur statt: Miyako Odori („Tanz der Hauptstadt“) wird seit 1852 in Kyotos Gion-Kobu-Viertel gefeiert. Dort bieten die erfolgreichsten Geiko und Maiko in Japan drei Wochen lang täglich ihr Talent dar. Es gibt also genug Gelegenheiten, einen Einblick in die Welt der Geisha zu erhalten, die uns normalerweise verschlossen bleibt – man muss sie nur ergreifen.

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