Geheimnisse der japanischen Kampfkunst

Geheimnisse der japanischen Kampfkunst | ORYOKI

Jeder kennt Karate und Judo – aber wussten Sie, dass Japan in seiner Geschichte über 60 Kampfkünste entwickelt hat? Ob mit oder ohne Waffe: Der japanische Kampfsport ist vielfältig und faszinierend. Seine Variationen dienen nicht nur der Selbstverteidigung, sondern lehren den Schüler im Training auch wertvolle geistige Fähigkeiten.

Zwei Menschen üben Selbstverteidigung

Die älteste Kampfkunst der Welt, Kalaripayattu, stammt aus Indien und wurde zusammen mit dem Buddhismus nach China importiert. Mönche haben dort ihre Techniken und Philosophie verinnerlicht, und dann kam die Kampfkunst dann aus China nach Japan – in Form von Jujutsu (auch Jiu Jitsu genannt). Es ranken sich viele Mythen um seinen genauen Ursprung, aber eines ist klar: Jujutsu legte den Grundstein für die meisten heute bekannten Kampfsportarten aus Japan.

Jede Kampfkunst hat mehrere Schulen oder Stile, die Ryu genannt werden. Die erste Schule des Jujutsu wurde offiziell 1532 gegründet und lehrte zuerst die Technik des Greifens. Obwohl der Name „sanfte Kunst“ bedeutet, ist Jujutsu nicht zu unterschätzen: Die Kampfkunst wurde dazu entwickelt, vor allem stärkere Gegner besiegen zu können, indem man sich im richtigen Moment dessen Angriff zunutze macht, ohne unnötig Energie zu verschwenden. Ein Krieger sollte sich so effektiv verteidigen können, selbst wenn er entwaffnet worden war.

Jutsu bedeutet „Technik“ oder „Kunst“, Do heißt „Weg“: So enden die meisten Namen der japanischen Kampfkünste. Ein Jutsu wird mithilfe mentaler Prinzipien und geistigen Trainings zum Do. Der philosophische Teil ist dann die unentbehrliche Basis für die Techniken, was die Kampfsportarten komplex und gleichzeitig natürlich und ästhetisch macht. Es geht nicht darum, einen Gegner möglichst schnell und brutal außer Gefecht zu setzen, sondern darum, die eigenen Ressourcen und Kräfte möglichst effizient zu lenken und klug einzusetzen – und am Ende vielleicht sogar zu sich selbst zu finden.

Künste und Techniken japanischer Krieger und Samurai, die seit 1185 acht Jahrhunderte lang das Land regiert haben, heißen Bujutsu. Auch wenn es heute keine Krieger – Bushi – mehr gibt, lebt Bujutsu weiter: In Budo. Während Bujutsu Techniken des Überlebens und Tötens lehrte, mussten für den heutigen „Weg des Krieges“ einige davon abgewandelt werden, um einen fairen Wettkampf zu ermöglichen. Das machte die Kriegskunst zum modernen Kampfsport. Budo bezeichnet heute alle modernen japanischen Kampfkünste – zu denen übrigens auch Sumo gehört.

Verbotenes Training

Schwarzer Karate Gürtel mit weißem Kittel

Kampfsport war ursprünglich keine Kunst für sich, sondern ein Mittel zum Zweck und musste sich quer durch die Jahrhunderte der historischen Situation und diversen Schwierigkeiten anpassen. Karate (“leere Hand”) etwa wurde entwickelt, als es Nicht-Samurai in Japan verboten war, Waffen zu tragen – im 17. Jahrhundert. Diese Kampfkunst, wie wir sie heute kennen, stammt von der japanischen Insel Okinawa und kam erst 1922 auf das Festland Japans. Seither ist es aber zur bekanntesten japanischen Kampfportart geworden. Obwohl Karate relativ jung ist, gehört es zu den gefährlichsten und effektivsten Kampftechniken der Welt. Ein Grund dafür ist, dass sie dafür gestaltet ist, sich vor mehreren Gegnern auf einmal zu verteidigen, sogar, wenn diese bewaffnet sind.

Während der Meiji-Restauration 1868 durchging Japan viele Veränderungen. Unter anderem ordnete der neue Kaiser das Verbot der Kampfkunst an, als das Land modernisiert und Samurai abgeschafft wurden. Die Meister ließen sich jedoch nicht aufhalten und trainierten und lehrten fortan heimlich oder im Ausland, bis die Meiji-Zeit 1912 mit dem Tod des Kaisers durch die Taisho-Ära abgelöst wurde.

Während der Okkupation durch die USA nach dem Zweiten Weltkrieg wurden jedoch erneut alle Aktivitäten, die mit dem Militär in Verbindung standen, von der Besatzungsregierung verboten. Als die Okkupation 1951 wieder vorbei war, erlebte Jujutsu einen neuen Aufschwung in Japan. In der Zwischenzeit konnten sich im Untergrund aber auch neue Schulen und Techniken herausbilden. Unter anderem entstanden währenddessen die bekannten Kampfkünste Judo und Aikido.

Heute ist keine Kampfkunst mehr verboten – mit der Voraussetzung, dass ihre Ausübung nicht mit Verletzung oder sogar Tod endet. Einige „verbotene“ Techniken sind daher von Wettkämpfen ausgeschlossen, da sie Teilnehmern ernsthaft schaden können. Die japanischen Kampfkünste dienen der Selbstverteidigung und dem Training des Geistes, wozu gehört, dass Kämpfende – auch in realen Situationen – möglichst unversehrt davonkommen.

Geheime Techniken der Ninja

Ninja mit Schwert und schwarzem Gewand

Eine andere legendäre Gruppe aus Japan neben den Samurai waren die Shinobi, oder auch Ninja genannt. Auch sie haben eine eigene Kampkunst: Ninjutsu oder Ninbo. Anders als in anderen japanischen Kampfkünsten geht es hier nicht um das Training des Bewusstseins, sondern um effektive Ausführung eines Auftrags. Ninja mussten vor allem lautlos agieren und Konflikte vermeiden, worauf ihr Name hindeutet: Shinobi bedeutet “Verbergen” oder “Schleichen” – übrigens auch die Bedeutung der Silbe Nin.

Aber für den Fall, dass es doch zu einem Kampf kam, mussten sie allerlei Techniken der Selbstverteidigung beherrschen, die zur jeweiligen Situation passen. Unter Taijutsu versteht man die unbewaffnete Kampfkunst der Ninja – mit Bogen, Speer und Schwert umzugehen war aber ebenso Teil ihrer Ausbildung. Besonders Wurfgeschosse wie die sternförmigen Shuriken und kleine Dolche mit dem Namen Kunai werden mit den Shinobi assoziiert. Sie mussten aber auch, je nach Schule, schwimmen und reiten können, sowie Kenntnisse über Meteorologie und Geographie besitzen.

Ninja gab es schon lange vor unserer Zeit. Besonders im feudalen Japan (1185 – 1603) wurden sie vom Adel und von den Shogun (Samurai-Kriegsherren) vor allem als Spione eingesetzt. Wegen der Ninja sind übrigens auch die Böden an vielen traditionellen japanischen Häusern mit speziellem Holz gebaut, das besonders laut knarrt, wenn man darauf tritt. Das sollte in Zeiten der Shinobi vor Eindringlingen schützen.

Perfektion innen und außen

Kampfsportler beim Training in der Halle

Oft kommt der japanische Kampfsport ohne Waffe aus: Der Kämpfende soll mit aufmerksamer Abschätzung, schneller Reaktion und gezielter Nutzung seiner Energie dem Gegner zuvorkommen. Deshalb ist auch Empathie in der Kampfkunst so wichtig, denn wer den nächsten Angriff voraussehen kann, hat einen entscheidenden Vorteil im Kampf. Eine weitere geistige Fähigkeit, die im Kampf eine große Rolle spielt, ist Mu – die Leere. Das bedeutet, seinen Geist von jeglichen Gedanken zu befreien, die ablenken könnten, und achtsam dem Verlauf der Geschehnisse zu folgen. Auch Respekt vor anderen – vor dem Gegner, dem Meister (Sensei), anderen Schülern und vor sich selbst wird im Training gefordert.

Zu diesem gehört daher nicht nur der Kampf an sich, sondern auch die intensive Vorbereitung darauf: Verbeugen, Begrüßen und lange Dehn- und Aufwärmübungen sollen den Körper und Geist auf das Training einstimmen. Trainiert man zum Beispiel auf einem Feld, muss man sich bei Betreten und Verlassen vor diesem verbeugen, um Respekt zu bezeugen.

Aus dem ursprünglichen Kampfsport Jujutsu haben sich diverse Kontaktsportarten entwickelt, die mit bloßen Händen arbeiten. Judo ist eine „harmlosere“ Form des Jujutsu, die auf direkten Angriff verzichtet und stattdessen ausschließlich mit Würfen und Griffen arbeitet. Gleichzeitig wurden die Techniken des Griffs aus dem Jujutsu dazu genutzt, Aikido zu entwickeln. Dort wird geübt, wie man einen Gegner zu Boden wirft und auch selbst geschickt und unversehrt zu Boden rollt. Diese Art der Kampfkunst war ursprünglich dafür da, einen Schwertangriff abzuwehren, und nutzt die Angriffskraft des Gegners gegen ihn selbst.

Im Karate spielen auch Tritte und Fausthiebe eine Rolle: Der Gegner kann mit offener Hand, Ellbogen oder Füßen angegriffen, gehebelt und sogar in den Würgegriff genommen werden. Der ganze Körper ist dabei im Einsatz. Markenzeichen des Karate ist der berühmte Roundhouse Kick, oder Mawashi Geri.

Kampfkunst mit Schwert, Stock und Bogen

Kendo ist die weltweit bekannte Kunst des Schwertkampfes. Obwohl die Schwerter, die im Training benutzt werden, bloß aus Holz oder Bambus sind, müssen die Kämpfenden trotzdem eine Rüstung namens Bogu tragen, die vor allem Gesicht und Oberkörper schützt. “Der Weg des Schwertes” lehrt die Beherrschung verschiedener Klingen, vom Dolch bis zum Langschwert. Der Unterschied zum Fechten im Westen besteht darin, dass Kendo die Selbstverteidigung durch Angriff lehrt, und Parieren darin so gut wie gar nicht vorkommt. Die philosophischen und kulturellen Elemente machen Kendo zur Kampfkunst, während Fechten rein als Sport ausgeübt wird.

Auch beim Naginatado müssen Kämpfer die Bogu tragen. Naginata nennt man eine über zwei Meter lange stockähnliche Waffe, die ein Kurzschwert an der Spitze hat. Während sie einer mittelalterlichen Glefe ähnlich sieht, stammt sie von der chinesischen Hellebarde.

Es gibt auch eine Gruppe der Kampfkünste, die mit Bauernwaffen ausgeübt werden und die Kobudo genannt werden – „alte Kriegskünste“. Solche Waffen sind Sichel, Schlagring, Dreizack oder etwa der Bo: Ein 121 oder 181 cm langer Stab, der im Bojutsu eingesetzt wird. Mit einem oder mehreren Gegnern nutzt man ihn zum Angriff und zur Selbstverteidigung, und braucht Fingerspitzengefühl, um ihn geschickt zu handhaben. Die meisten dieser Kampfsportarten stammen aus Okinawa, dem Geburtsort des Karate.

Das Schwert war zweifellos die gebräuchlichste Waffe der Samurai, aber bevor es zur ersten Wahl wurde, konnten die meisten von ihnen bereits mit Pfeil und Bogen umgehen. Kyudo, der Weg des Bogens, war in der Edo-Periode geboren, wobei diese Waffe schon lange vor unserer Ära im Einsatz war. Wie viele Kampfkünste in Japan hat auch diese als Basis eine Philosophie, die dem Zen ähnelt. Durch Aufgabe der eigenen Wünsche und Gedanken, Achtsamkeit, Verschmelzung mit dem Bogen und präzise Verinnerlichung der motorischen Abläufe soll Perfektion erreicht werden. Jedoch gibt es historisch keine Verbindung zwischen Buddhismus und Kampfkünsten – es ist eine eigene Geisteshaltung, die dem Kampfsport zugrunde liegt.

Kampfkunst und Alltag

Kämpfer kniend vor dem Kampf

Entgegen dem Stereotyp beherrscht heute nicht jeder Japaner eine Kampfkunst. Aber sie werden gerne in Clubs geübt, denen man in der High School und an der Universität beitreten kann. Noch in der Meiji-Ära (1868 – 1912) diente Kampfsport an Schulen als Mittel, den Geist der Schüler zu stählen und das traditionelle Ideal des Samurai zu pflegen. Auch heute ist das Training immer noch sehr spartanisch und intensiv, wenn Studenten im Sommer und Winter stundenlang im Freien kämpfen, oft mehrmals in der Woche. Judo, Aikido, Kendo und Kyudo gehören zu den beliebtesten Kampfkünsten an der Uni.

Auch andere Länder haben sich Techniken japanischer Kampfkünste abgeschaut. Brasilianisches Jiu Jitsu etwa ist eine Abwandlung des japanischen Originals, die sich auf den erbarmungslosen Bodenkampf konzentriert. Weltweit haben sich viele kleinere Schulen japanischer Kampfsportarten herausgebildet, die einen eigenen Stil und Grundsatz lehren. Sie werden durch nationale und internationale Organisationen verwaltet, die Wettkämpfe austragen und Regeln festlegen. So wird sichergestellt, dass man sich offiziell Meister einer Kampfkunst nennen kann, wenn man einen hohen Rang erreicht hat.

Wenn man selbst eine japanische Kampfkunst erlernen möchte, muss man dieser nicht seine ganze Freizeit widmen. In der Freizeit ist es ein Weg, die eigene Stärke und Geschicklichkeit, Koordination und Körperbeherrschung, Konzentration und Reaktion zu trainieren. Nicht zuletzt ist man so für Situationen gewappnet, in denen man sich und andere verteidigen muss. Dafür muss man sich nur für eine Kampfkunst entscheiden – Japan hat für jeden etwas zu bieten!

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