Hokkaido, Insel zwischen Handwerk und Kunst

Hokkaido, Insel zwischen Handwerk und Kunst

Der Name Hokkaido oder auch Uchiki Kuri, wie man ihn in Japan nennt, lässt hierzulande zunächst an den Kürbis denken. Dieses große, orangefarbene Gemüse, welches in Wintermonaten gemeinsam mit Kartoffeln, Roter Bete, Möhren, Paprika und Lauch heiß aus dem Ofen in unsere hungrigen Bäuche wandert. Das als Kürbis-Risotto serviert wird, garniert mit frischen Kräutern, oder uns als warme Kürbis-Suppe wohlig nährt. Besonders beliebt ist er in der vegetarischen Küche, denn der Hokkaido-Kürbis ist nicht nur lecker, sondern auch gesund und Low Carb. Oft kommt er hier gemeinsam mit knackigem Salat frisch zu Tisch. Vom Geschmack her so reich, das ein wenig Olivenöl und Salz schon genügen, um sein volles Aroma zu entfalten. Pur und unverkennbar würde man ihn gerne das ganze Jahr über essen, verpackt in die besten Rezepte, doch der Kürbis ist ein Herbst- und Wintergemüse, welches erst gegen Ende August mit seiner strahlenden Farbkraft die Teller schmückt.

Seine Zubereitung ist vielfältig, wenngleich er trotz seiner dünnen Schale trotz scharfer Messer nicht leicht zu schälen ist, dafür aber umso leichter auszuhöhlen. Man kann ihn backen, kochen, vermutlich sogar grillen. Wie auch immer man sich ihm widmet, verglichen mit anderen Kürbissorten ist er ein Allrounder.

Hokkaido Kürbis | Rezept Nachkochen und genießen »

Auch bekannt ist uns der Hokkaido-Kürbis durch die amerikanische Tradition von Halloween. Von seinem Fruchtfleisch entfernt – ausgehöhlt – mit Licht versehen und schaurig dreinschauend sorgt er mit seinen Fratzen für stimmungsvolles Flair. Liegt erster Frost auf seinem Gesicht, verschafft das Gänsehaut-Feeling pur. Bei weitem weniger gruselig da ist sein Kollege der Butternut-Kürbis. Man kann getrost sagen, dass der Hokkaido-Kürbis von seiner Art her einzigartig ist.

Namensgebung

Seinen Namen hat das unverwechselbare Gemüse, welches auch in der japanischen Küche sehr beliebt ist, von der gleichnamigen Insel Hokkaido, doch fangen wir am besten Vorne an. Die Hauptinsel Japans hieß früher Ezo, was soviel bedeutet wie ‚Der Ort, wo ein anderes Volk lebt‘. Anders, das waren damals die Ainu, die indigene Bevölkerung Ezos. Vor dem Hintergrund der Meiji-Ära suchte Matsuura Takeshirō (1818 – 1888), entsandt von der Regierung, vor 202 Jahren nach einem neuen Namen für die Insel im Norden. Inspiriert durch die fremde Kultur dachte er zunächst an Kitakaido (‚Der Norden, wo die Ainu leben‘). Doch kai bedeutet nicht nur Ainu, sondern auch Meer, <emhoku< em="">ist gleichbedeutend mit kita, beides heißt Norden. So wurde Ezo letztlich zu Hokkaido, der zweitgrößten von insgesamt vier Hauptinseln im japanischen Meer und gleichzeitig größte Präfektur Japans.

Eintauchen in Natur, Kultur und Traditionen

Takeshirō, der seit frühester Jugend das Land bereiste, war geprägt durch dessen hohe kulturelle Fülle. Weltoffen wie er war, setzte er sich schon zu damaliger Zeit gegen Diskriminierung und Gewalt ein. Für ihn war ‚Anders sein‘ ein hohes Gut, welches es zu schützen gilt, denn es brachte fremdes Wissen mit sich. Die Kultur der Ainu verfügte seit jeher über wertvolle Kenntnisse um die Kunst des Handwerks. Ein für dieses kulturelle Erbe heute noch wichtiger Ort ist der mit 2.000 Metern höchste Berg Hokkaidos, der Daisetsuzan. Der Vulkanberg, gelegen im heute gleichnamigen Nationalpark, war für die Ainu so etwas wie der ‚Spielplatz der Götter‘. Der Kamui Mintara, wie sie ihn nannten, wurde daher von ihnen verehrt. Auch heute noch spürt man eine gewisse Magie in seiner nebulösen Weite, die ihn im Winter umgibt. In ihr kann sich das menschliche Auge verlieren, während sich der Geist bei achtsamen Lauschen selbst zu finden vermag. Nicht wenige folgen diesem Ruf und genießen ausgiebige Schneeschuhwanderungen und Wintersport, während sie die Nächte in einem der traditionellen japanischen Gasthäuser verbringen, in Japan Ryokan genannt. Um die Kälte des Tages wieder loszulassen, zelebrieren viele Winter-Verliebte häufig das traditionelle Onsen, das Baden in heißen Quellen.

Wer sich neben dem Winterspaß in der Umgebung umschaut oder zwischen den beliebten Trekking-Touren in Sommer und Herbst pausieren mag, kann den Ursprung der hiesigen Handwerkskunst auch heute noch erfahren. So zum Beispiel im Yukara-ori Volkskunst Museum.

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Hokkaido Zebrastreifen vor Einkaufshaus

Bildnachweise: Autor: MIKI Yoshihito | Flickr | License

Handwerkskunst zwischen Gestern und Heute

Hokkaido ist knapp doppelt so groß wie die Schweiz und fasst heute rund 5,5 Millionen Einwohner, eine immer noch schwache Besiedelung, welche ab 1868 durch die Japaner begann. Durch den Siedlerkolonialismus wurde die indigene Kultur in der Präfektur Hokkaido mehr und mehr verdrängt und nur wenige Ureinwohner haben sich ihre Herkunft und Traditionen bewahrt. Durch die eigene Praxis sowie öffentliche Maßnahmen wird versucht, dem nachzukommen und wertvolles Wissen weiterzugeben, wie z.B. durch den Bau von Museen wie das Kawamura Kaneto Ainu Memorial Museum in Asahikawa. Hier, in der zweitgrößten Stadt der Insel, ruhen Schätze der Vergangenheit: textile Webmuster, traditionelle Kleidungsstücke, Modellarchitektur und kunstvolle Holz-Schnitzereien. Doch auch über die Museumsgrenzen hinaus birgt Asahikawa kulturelle Einzigartigkeit.

Hierauf bauend hat sich die Stadt in Japan zu einer der drei besten Design-Stätten für Interior gemausert. Das Asahikawa Design Center steht für exquisite Brands etablierter Ateliers sowie Kunsthandwerker, deren Hauptwerkstoff Holz ist. Um diese für Japan so wertvolle Ressource nachhaltig zu schützen, achtet man industriell auf den Erhalt und Ausbau des Waldökosystems, welches auf der üppigen Nordinsel floriert.

Doch die nördliche Insel bietet eine Fülle an Möglichkeiten, mit der Natur zu arbeiten. Zum Beispiel mit seiner Erde, welcher man sich zur Keramik-Herstellung bedient. In Koshimizu z.B. wartet auf alle Interessierten das Hokujigama, ein Keramik-Atelier, welches die alte Kunst des Töpferns praktiziert und lehrt. Mit liebevoller Geduld wird hier Lehm in Teller, Tassen und (Tee-)Schalen verwandelt. Bis zu 100 Mal streicht man den Rohstoff auf der Töpferscheibe behutsam von oben nach unten, um auch die letzten Luftblasen noch zu entfernen, die sich in Verbindung mit Wasser gebildet haben.

Kanal vor Gebäude

Im malerischen Otaru hingegen, einer kleinen Kanal-Stadt an der Küste, fertigen japanische Meister und junge Designer von Hand geblasene Glas- und Spieldosen und reichen ihr Wissen an interessierte Kreative weiter. Die hiesige Kunstszene beseelt das mitführende Handels-, Finanz- und Geschäftszentrum Japans, zu welchem sich die japanische Stadt entwickelt hat, mit schwebender Leichtigkeit. Selbige Handwerkskunst findet sich in Hakodate, ganz im Süden der Insel. Umsäumt von Wasser sowie üppigem Grün trifft man hier auf ein westlich geprägtes, charmantes Stadtbild. Neben roten Backsteinhäusern und hölzernen Kirchen, die durch die früheren Handelsbeziehungen mit Europa und den USA nach Japan kamen, findet sich auch hier umfassendes Wissen über das Glasblasen. Überall findet man die filigranen und bunten Erzeugnisse, die den Charme der Hafenstadt maßgeblich mit ausmachen. Neben der Glaskunst begeistert hier zudem gemäß ihres Standorts die Fischerei mit frischen Meeresfrüchten, die Japans Sushi-Kunst zu einem wahren Gaumen-Erlebnis machen. Hakodate schmecken, mit allen Sinnen erfahren und den Alltag kurz vergessen.

Kultur im Wandel der Zeit

Im hohen Norden gelegen findet sich, 1866 gegründet, die kolonial geprägte Hauptstadt Sapporo. Das Sapporo Schnee Matsuri ist das größte Festival Hokkaidos und doch nur eines von vielen. Im Odori-Park gelegen, heißt es jährlich bis zu 2 Millionen Besucher willkommen. Auch hier steht die kalte Jahreszeit im Vordergrund und begeistert mit Schneeskulpturen, Schneeballschlachten und Schlittschuhlaufen. Das Sapporo Schneefestival erinnert dabei jährlich auf's neue an die 1972 ausgetragenen Olympischen Winterspiele auf Hokkaido.

Sapporo Stadt Sake Fässer vor Gebäude

Darüber hinaus ist in Sapporo die Kunst des Bierbrauens beheimatet, wenngleich heute vielerorts in Japan Bier gebraut wird. Deutsches Handwerk, das es von Berlin nach Tokio schaffte und von dort in die größte Stadt der Insel im Norden. Wegen seiner klimatischen Bedingungen und der zusätzlich günstigen Lage für Gersten- und Hopfenanbau eignete sich diese für die Bier-Braukunst hervorragend. Diesem Umstand zu verdanken, bringen die Bierfeste der Insel die Balance zwischen Winter- und Sommerliebe auf Hokkaido wieder ins Gleichgewicht.

Die kühle Nordinsel ist heute aus vielen Gründen eine Reise wert. Besonders für jene, die Landschaft und Stille schätzen, ist sie ein absoluter Blickfang. Die die vielseitigen landschaftlichen Höhepunkte der Region – die Küsten, Felder und Waldregionen sowie Bergketten und Wasserfälle – für besonders erachten. Durchzogen von den vielen Facetten unterschiedlichster Kulturen liegen zwischen der Ursprünglichkeit der ehemaligen Ainu-Region sowie moderner (agrarischer) Geschäftigkeit die ersten Schritte ehemaliger Pioniere. So bspw. im Kaitaku no Mura, dem historischen Dorf Hokkaidos, inmitten des Naturparks der Region Napporo Shinrin Koen. Das Open Air Museum zeigt frühere Architektur, Fischerei und Agrarwirtschaft innerhalb der Meiji, Taisho und frühen Showa Dynastien.

Wenngleich die ursprüngliche Kultur und ihre Bräuche mit der Annexion Hokkaidos durch Japan vielerorts schwand, so hat sie sich doch nicht auslöschen lassen. Vielmehr hat sie ihren Weg in die moderne Welt gemacht und diese ausgehend von der höchstgelegenen Insel Japans mit geprägt. Eine Reise nach Hokkaido, bedeutet nicht nur in ein anderes Land zu reisen, sondern zwischen den Zeiten zu springen. Japan zu erfahren, wie es damals war und wie es sich heute ausgestaltet. Allen Kulturen dieses magischen Orts gemeinsam, ist die immer noch schöpferische Kraft der eigenen Hände. Durch das moderne Japan, aber auch durch sich verändernde Werte einer globalen Welt gelangt diese heute zu neuer Wertschätzung.

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