Die Kuriosität der japanischen Toilette

Die Kuriosität der japanischen Toilette

Tabuthema? Nicht in Japan. Während bei uns das WC schlicht seinen Zweck erfüllt, wird es in Japan zum besonderen Erlebnis – oder zur Herausforderung.

Japans High-Tech-Toilette: Segen und Fluch

Wohl jeder, der schon einmal in Japan war, kam um das Erlebnis der High-Tech-Toiletten mit den vielen Knöpfen nicht herum. Jeder hat seine eigene Geschichte vom ersten Zusammentreffen mit Toiletten in Japan zu erzählen. Fast so kompliziert, verwirrend und spannend wie das Cockpit eines Raumschiffs: Die modernen Schüsseln können freuen, aber auch frustrieren. Denn wenn man beim ersten Mal die falsche Taste drückt, bekommt man mit etwas Pech eine unfreiwillige Dusche verpasst. Man nennt die moderne Bidet-Toilette in Japan auch Washlet, eine Kombination aus „Wash“ und „Toilet“, oder einfach: „Let’s wash“. Das weist darauf hin, dass diese dank ihrer Dusch- und Bidet-Funktion auch mit Wasser reinigen können. Das am weitesten verbreitete japanische Wort トイレ toire für die Toilette stammt interessanterweise aus dem Englischen und wird mit Katakana geschrieben, was auf Lehnwörter aus Fremdsprachen hinweist. Andere Bezeichnungen bedeuten wörtlich „Hände waschen“ und „Puderzimmer“, um es diskreter zu halten. Es gibt bei dem modernen Bidet japanischer Art verschiedene Modi, die man mit den zahlreichen Knöpfen an der Schüssel auswählen kann. Obwohl diese anstatt für uns fremden Schriftzeichen Symbole enthalten, hilft bloß Ausprobieren. Nur so findet man heraus, was japanische Washlets so alles können, auch wenn das nach hinten losgehen kann. Doch sobald man sich auskennt, weiß man die vielen Features eines solchen WC in Japan zu schätzen. Einem angenehm beheizten Sitz im Winter kann keiner widerstehen, und auch ohne das diskrete Rauschen geht dann gar nichts mehr.

Hightech Toilette in Japan

Bildnachweise: Autor: Achim Hepp | Flickr | License

Dusch-WC mit zahlreichen Funktionen

Die Sound-Funktion, die an rauschendes Wasser erinnert, wurde eingebaut, weil beschämten Toilettenbesuchern – besonders japanischen Frauen – die Geräusche zu peinlich waren und sie lange Zeit die Spülung laufen ließen. Um Wasser zu sparen, entwickelte die Firma Toto daher die „singende Toilette“. Sparsamkeit gehört schließlich auch zur japanischen Kultur und ist im Konzept Mottainai verankert (wörtlich: „verschwende nicht“). Im Japanischen heißt der akustische Teil der High-Tech-Toiletten Otohime, was übersetzt „Geräuschprinzessin“ bedeutet. Ursprünglich war dies der Name einer japanischen Göttin und Drachen-Prinzessin aus der Mythologie, die in einem Palast am Grund des Meeres wohnte. Toto ist in Japan der führende Hersteller im Bereich Sanitäranlagen und hat die High-Tech-Toilette in Japan erst bekannt gemacht. 1980 wurde das erste benutzbare Washlet in Japan entwickelt und als Markenzeichen gesichert. Damals war sie noch ganz bescheiden nur mit Waschfunktion für den hinteren Bereich, Trockner und Sitz-Heizung ausgestattet. Als zwei Jahre später in Japan erstmals Werbung dafür im Fernsehen kam, waren viele Zuschauer schockiert – aber Japan passt sich bekanntlich schnell an neue technologische Entwicklungen an. Bald war die neuartige Toilette aus der japanischen High-Tech-Kultur nicht mehr wegzudenken. Später kamen noch zahlreiche, besondere Funktionen hinzu. Das alles kann ein modernes Washlet aus Japan heute haben:

  • Bidet und Dusche für vorne und hinten
  • Eingebauter Lufttrockner
  • Beheizter Sitz
  • Otohime – Geräuschprinzessin
  • Versprühen von Deodorant und Duft
  • Temperatur und Stärke des Wasserstrahls lassen sich einstellen und es gibt sogar eine Massage-Funktion
  • Der Toilettendeckel öffnet sich automatisch, wenn man das WC betritt
  • Spezielle Selbstreinigungstechnologie mit elektrolysiertem Wasser, um weniger Chemikalien einsetzen zu müssen
  • Wasser- und platzsparende Spülung, teilweise automatisch
  • Schlankes und ästhetisches Design

 

Eigenschaften wie der perfekte Winkel für den Wasserstrahl, optimaler Wasser-Druck und angenehme Temperatur am WC-Sitz wurden in jahrelanger Forschung herausgefunden. In Zukunft möchte man auch medizinische Features wie das Messen von Blutzucker, Blutdruck und Körperfettanteil einbauen. Entwickelt werden soll außerdem eine persönliche Begrüßung beim Betreten der Toilette und Steuerung per Spracherkennung. Da ist man vom Raumschiff tatsächlich nicht mehr weit entfernt.

Klo trifft Kultur

Kaum zu glauben, dass es in Japan nicht immer so komfortabel zuging. Japanische Toiletten haben nämlich auch eine andere Seite: Das traditionelle, asiatische „Plumpsklo“. Im englischen „Squatty potty“ gerufen, sagt der Name schon, was man dort tun soll: Hocken. Das wirkt nicht gerade bequem und kann den einen oder anderen unbedarften Touristen im sonst so fortschrittlichen Land schonmal schockieren oder ihm zur Herausforderung werden. Diese Art der Toilette ist aber erwiesenermaßen gesund und hygienisch, da man nichts berühren muss. Das einfache Hock-Klo gibt es auch in vielen anderen Teilen der Welt, vor allem in Südostasien, Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten, aber auch Osteuropa. In muslimischen und hinduistisch geprägten Ländern etwa benutzt man auch, ähnlich wie beim Dusch-WC, statt Toilettenpapier lieber Wasser.Apropos Toilettenpapier: Wenn man in Japan versucht, es wie im Westen zu benutzen, kann man unter Umständen auf Schwierigkeiten stoßen. Während es bei uns nämlich gefaltet wird, knüllt man es in Japan einfach. Dementsprechend ist das Papier auch beschaffen und nicht mit Trennlinien versehen, sodass Falten schwieriger ist. Geknüllt wird übrigens auch gern in den USA. Anders als dort ist aber das Design der Toilettentüren: In Japan findet man meist nur Toiletten-Türen, die bis zum Boden gehen. Für so manchen Japaner in Amerika stellen dort die großzügigen Lücken zwischen Boden und Tür, in denen man die Füße sehen kann, einen Kulturschock dar.

Japanische Götter auch für WCs

Interessant ist, dass man die traditionelle und moderne Variante des WC in Japan meistens gemeinsam antrifft, besonders in öffentlichen Toiletten großer Bahnhöfe und Kaufhäuser. Die Plumpsklos sind dann mit einem speziellen Symbol an der Tür gekennzeichnet, sodass man sich nicht aus Versehen in eine solche verirrt. Wenn man von der neuesten Technologie profitieren möchte, muss man daher aber oft längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Dafür gibt es öffentliche Toiletten in Japan an jeder Ecke, sogar in kleinen Supermärkten, den sogenannten Konbinis (abgekürzt vom englischen „Convenience Store“). Diese sind auch noch kostenlos – ein Luxus, den man hierzulande vergeblich sucht. Unabhängig vom Ort wird man außerdem kaum schmutzige Toiletten in Japan finden, denn Sauberkeit und Respekt vor den Mitmenschen sind dort – wie in anderen Bereichen auch – heilig. Heilig war traditionell das Wiederverwerten vom Inhalt der Toilette als Dünger. Damit wurde den Göttern des stillen Örtchens gehuldigt, die davor bewahren sollten, hineinzufallen und zu ertrinken. Das war früher tatsächlich eine Gefahr, da es auf WCs oft dunkel war. Da die Götter in manchen Regionen als schön galten, wurde auch die Toilette entsprechend in einem guten Zustand gehalten und dekoriert. Dann sollten auch Neugeborene laut der Mythologie gutaussehend und die Klos vor bösen Geistern bewahrt werden.

Toilette auf dem Boden in Japan

Bildnachweise: Autor: Ari Helminen | Flickr | License

Toiletten in Japan richtig benutzen: Tipps

Zu unanständiges Thema? Ebenfalls Kultursache. Japaner erscheinen uns oft paradox: Kritik an anderen oder Essen im Zug ist ein No-go, sie nehmen jedoch bei Themen wie Toiletten kein Blatt vor den Mund. Sogar am Esstisch könnte wohl jeder eine „Toiletten-Geschichte“ erzählen: Etwa über Spuk-Klos in Schulen oder Bösewichte, die sich in Schüsseln verstecken. Im Kontrast dazu bringt in Japan die Toilette auch strenge Regeln und Etikette mit sich. Ein Unterschied zum Westen ist, dass die Toilette der japanischen Haushalte meistens separat positioniert ist. Das liegt zum daran, dass das WC – ähnlich wie alles außerhalb des Hauses – als unreiner Ort gilt und daher traditionell vom Rest der Wohnung abgetrennt wurde. Das erstreckt sich auch auf die Schuhe: Nicht nur in Wohnungen, auch in öffentlichen Anlagen wie Fitnessstudios findet man am Eingang Schlappen. Diese sollte man beim Betreten der Toilette anziehen – und nicht vergessen, sie beim Verlassen wieder auszuziehen! Innerhalb japanischer Wohnungen trägt man gar keine Schuhe, schon gar nicht solche, die vorher mit im stillen Örtchen waren. Hier gibt es großes Fettnäpfchen-Potential. Ist man zum ersten Mal mit einer japanischen Hock-Toilette konfrontiert, gibt es keinen Grund zur Sorge: Sie sind so clever gebaut, dass das Ganze auch noch komfortabel und sauber bleibt, sobald man den Dreh raushat. Während nämlich die Hock-Toiletten im Rest der Welt meist nur ein Loch im Boden darstellen, muss man sich in Japan korrekt in Richtung des erhöhten Teils hinstellen, der vom Eingang weg zeigt.

Auf andere Probleme stößt man bei japanischen Washlets. Hat man dort aus Versehen eine Dusch-Funktion ausgelöst oder stoppt die „Geräuschprinzessin“ nicht automatisch, kann man alle Modi durch Drücken des roten Knopfs mit dem Symbol 止 (für „Stopp“) beenden. Das Spülen in einer solchen Toilette ist außerdem beim ersten Mal nicht so einfach: Zwischen den anderen Knöpfen am „Cockpit“ sucht man ihn vergebens. Oft gibt es an der Seite des Spülkastens einen Hebel, wo er leicht übersehen wird. Dieser zeigt zwei Schriftzeichen: 大 für „groß“ und 小 für „klein“. Je nachdem, wie viel man spülen möchte, drückt man den Hebel nach links oder rechts. Manchmal, gerade bei traditionellen Hock-Toiletten, ist nur ein Hebel am Einlaufrohr vorhanden, den man herunterdrücken muss. Die hochmoderne Variante hat einen Knopf oder sogar Sensor, bei dem man nur die Hand vorhalten muss. Oder aber die Toilette spült automatisch, sobald man aufsteht. Hygienisch und schnell zugleich.

Japanische Washlets bald auch bei uns?

In den 90ern verließ das japanische Dusch-WC erstmals Japan und kam in die USA. Heute ist es überall auf der Welt erhältlich. Es stellt sich die Frage: Warum hat die japanische Version der Toilette bei uns noch keinen Anklang gefunden? Meistens sind die Kosten für Anschaffung und Betrieb eines Washlets schlicht zu hoch und das Vertrauen in die Technik noch zu gering. Viele holen sich jedoch schon privat ihre japanische Komfort-Toilette mit schickem Design nach Hause. Es gibt außer Toto natürlich auch andere Firmen, die zum Teil günstigere Ausstattungen oder einen WC-Aufsatz für die heimische Toilette anbieten. Würden auch Sie sich so ein Stück japanischen Luxus nach Hause holen – oder ist das schlicht zu viel des Guten?

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