Sumoringer, die schwersten Sportler aus Japan

Sumoringer, die schwersten Sportler aus Japan

Wrestling mit dicken Japanern in Schürzen – so stellen wir uns Sumo vor. Aber wie alle Traditionen Japans hat auch diese eine oft unerwartete historische und symbolische Bedeutung hinter jedem Detail, die sie von anderen Sportarten abhebt. Sumoringer haben es alles andere als leicht, erfüllen aber eine wichtige Rolle in der japanischen Kultur.

Japanischer Sport mit spirituellen Wurzeln

Sumo gibt es schon seit 1500 – 2000 Jahren, professionell wird aber erst seit dem 17. Jahrhundert, der Edo-Periode, gekämpft. Der japanische Sport stammt aus dem Shintoismus, der neben dem Buddhismus die wichtigste Religion in Japan ist. Ursprünglich war Sumo in Japan Teil eines Rituals, um die Shinto-Gottheiten, Kami, um eine reiche Ernte zu bitten. Deshalb wurden Sumo-Kämpfe vor einem Schrein oder Tempel ausgetragen, bevor das erste Stadion 1909 gebaut wurde. Bis heute hängt über dem Ring (Dohyo) immer das Dach eines Shinto-Schreins.

Auch heute vollführt jeder Sumoringer, japanisch Rikishi, der den höchsten Rang Yokozuna erreicht hat, eine Art Initiationszeremonie vor dem Meiji-Schrein in Tokyo. Als Yokozuna hat man fast den Status einer Gottheit im Sumo, aber auch gleichzeitig hohen Druck, diesen Status auch aufrechtzuerhalten. Deshalb beenden viele Yokozuna ihre Karriere früh, wenn sie zu viele Kämpfe verloren haben, um ihre Ehre als Großmeister zu bewahren. In der Geschichte des Sumo gab es bislang nur 70 Ringer mit diesem Rang. Im Ring erkennt man die Yokozuna am großen Seil um ihre Hüfte, das die Papierdekorationen aus dem Shintoismus beinhaltet. 

Ringer Halle von Außen

Neben dem professionellen Sumo, der sich durch den Begriff Ozumo abhebt, gibt es Ringer, die den Sport in ihrer Freizeit oder als Amateur-Sumo ausüben – auch weltweit.

Verbeugen, stampfen und Salz werfen -Rituale der Sumoringer

An den Ritualen und der religiösen Bedeutung im professionellen Sumo hat sich bis heute nicht viel geändert: Bevor ein Kampf beginnen kann, müssen eine Menge Rituale vollbracht werden. Das berühmte Stampfen mit beiden Beinen etwa heißt Shiko und soll böse Geister vertreiben. Die Ringer verbeugen sich voreinander und streuen Salz auf den Ring, um ihn zu reinigen. Der offizielle Kampf beginnt erst, wenn beide ihre Handflächen auf den Ring gelegt haben. Zuvor kann man einen Starr-Wettkampf, eine Art psychologische Vorbereitung mit dem Namen Shikiri, beobachten, während der sich die Sumoringer mehrmals hinhocken und im Ring bewegen.

Jede Runde dauert meistens nur einige Sekunden – bis einer der Ringer den Boden berührt oder aus dem Ring geworfen wird. Dafür gibt es 70 verschiedene Techniken. Treten, an den Haaren ziehen, würgen oder die geschlossene Faust benutzen ist aber verboten. Dabei greifen die Ringer oft den Gürtel (Mawashi) ihres Gegners, um ihre Technik anzuwenden. Sehr selten kommt es dabei vor, dass ein Ringer seinen Mawashi verliert, worauf er disqualifiziert wird.  

Diese Regel gibt es aber erst, seit Sumo weltweit Zuschauer gewann, die prüdere Ansichten hatten als Fans in Japan.

Nicht weniger wichtig ist die Rolle des Gyoji – des Schiedsrichters im Sumo. Er trägt einen traditionellen Kimono aus der Samurai-Zeit, den schwarzen Hut eines Shinto-Priesters und ein Schwert, die die Bedeutung seiner Rolle unterstreichen. Wie die Sumoringer können auch die Gyoji verschiedene Ränge innehaben, die man an der Farbe ihres Fächers und ihren Schuhen erkennt. Richter, die in schwarzen Kimonos um den Ring herumsitzen, unterstützen den Gyoji bei kontroversen Entscheidungen.

Wie Sumo zum Fett kam

Die Regeln für den japanischen Sport entstanden zum Teil am kaiserlichen Hof, als Sumo im 8. Jahrhundert zur Hofzeremonie avancierte. Während der Meiji-Restauration im 19. Jahrhundert verlor Sumo jedoch an Beliebtheit, die man in der Nachkriegszeit mithilfe des Kaisers und der Medien wiederherzustellen suchte. Das war ein Erfolg: Seit den 1990ern wird Sumo Wrestling auch weltweit ausgestrahlt.

Übertragungen im Fernsehen und Videos auf Youtube haben unser Bild vom schweren Ringer im Sumo geprägt. Ungefähr 150 Kilo Gewicht erreicht ein Sumoringer durchschnittlich, der schwerste Kämpfer derzeit wiegt über 300 Kilo.

Sumoringer waren aber nicht immer so massiv. Die ersten Kämpfer hatten mehr Muskeln als Fett – sogar bis ins 20. Jahrhundert hinein. Im Gegensatz zum amerikanischen Wrestling gibt es im professionellen Sumo keine Gewichtsklassen, daher können Sumoringer auch mithilfe von Fett Gewicht ansammeln, um bessere Chancen im Ring zu haben. Ein Beispiel für einen erfolgreichen Ringer, der auf Gewicht aus Muskeln setzt, ist der Tscheche Takanoyama Shuntaro, der den Spitznamen „Dünner Sumoringer“ trägt. 

Sumoringer im Zweikampf

Bildnachweise: Autor: davidgsteadman | FlickrLicense

Um ihr ideales Gewicht für den japanischen Sport zu erreichen, essen Sumoringer mittags nach ihrem Training das traditionelle Eintopfgericht Chanko Nabe aus einer nahrhaften Brühe, Nudeln, fettigem Fleisch, Meeresfrüchten und Gemüse. Mittagsschlaf nach der nahrhaften Mahlzeit unterstützt die Gewichtszunahme. Selbst probieren kann man das kalorienreiche Gericht im Sumo-Viertel Ryogoku Kokugikan, dem spirituellen Sitz des japanischen Sports in Tokyo und Ort der ersten und größten Arena für Sumo in Japan.

Mehr als nur ein Ringer

Die Karriere eines Sumoringers dauert etwa 17 Jahre, wobei die meisten mit etwa 15 Jahren mit dem Training beginnen. Wenn er den Ring verlässt, legt ein Sumoringer seine Rolle nicht ab. Sogar auf der Straße, im Sommer wie im Winter, muss er seinen Kimono, den charakteristischen Dutt und seinen Künstlernamen immer tragen und stets zurückhaltend und bescheiden bleiben, um sein Gesicht in der Öffentlichkeit zu wahren. Viele Sportler werden heute als Medienstars gefeiert und können mit Werbung und Auftritten im Fernsehen zusätzliches Geld verdienen. Im Ruhestand nehmen die meisten eine andere Arbeit auf und können auch der Japan Sumo Association beitreten, der Organisation, die den japanischen Sport und unter anderem die Bezahlung der Ringer verwaltet.

Pro Jahr gibt es in Japan sechs große Sumo-Turniere (Honbasho). Alle zwei Monate kämpfen die Ringer 15 Tage lang um die begehrten Ränge im Sumo. Drei der Turniere finden in Tokyos Ryogoku Kokugikan statt, die anderen in Osaka, Nagoya und Fukuoka. Man muss sich aber früh anstellen: Die begehrten Plätze werden schon früh am Morgen vergeben und geben die Möglichkeit, den ganzen Tag Sumo im Ring zu bestaunen. 

Ab 9 Uhr ringen die jüngeren Sumo-Kämpfer und je später die Uhrzeit, desto höher die Ränge: Bis 18 Uhr abends wechseln sich die Runden ab. Jeder Sumoringer kämpft einmal am Tag, jedes Mal mit einem anderen Gegner. Wer am Ende des Turniers die meisten Siege im Verhältnis zu Verlusten erzielt hat, gewinnt den Kaiserlichen Pokal.

Wenn man keinen Platz für ein Sumo-Turnier bekommt, gibt es auch zahlreiche Schaukämpfe rund um Japan, wenn die Sumoringer auf Tour gehen (Jungyo). Oder man besucht eines der etwa vierzig Lager im Raum Tokyo, wo die professionellen Sumoringer trainieren. Einige davon erlauben Besuchern, ein morgendliches Training (Keiko) zu erleben.

Strikte Hierarchie im Sumo

In diesen Lagern (Heya, wörtlich: Raum) verbringen etwa 15 Sumo-Ringer ihren Alltag zusammen. Dieses Leben ist alles andere als leicht: Der Meister erlegt ihnen strikte Regeln auf und erfahrene Ringer haben viele Privilegien vor den jüngeren. Sie werden von ihnen bekocht, bedient und lassen den niederrangigen Kämpfern nur Reste ihrer Mahlzeit übrig. Um 5 Uhr morgens müssen die jüngeren Ringer als erste den Ring für das Morgentraining vorbereiten. Nach dem Sport und dem Mittagessen haben alle Bewohner des Lagers Freizeit, während die beginnenden Ringer noch verschiedene Aufgaben rund um den Haushalt erledigen müssen. Macht ein junger Sumoringer einen Fehler, wird er dafür bestraft – als eine Art Abhärtung. Erst wenn sie heiraten, dürfen Sumoringer in ihre eigenen Wohnungen ziehen.

Mit einem höheren Rang hat man nicht nur einen weniger anstrengenden Alltag, sondern bekommt meistens auch erst dann ein regelmäßiges Gehalt, wenn man die höchste der sechs Divisionen, Makuuchi, erreicht hat. Vorher ist ein Sumoringer auf sein Lager und eventuelle Prämien vom Honbashi-Turnier angewiesen. Aber verglichen zu anderen Sportarten wie Wrestling verdient man im Sumo verhältnismäßig wenig Geld – und läuft Gefahr, zurückgestuft zu werden, wenn man einmal weniger Glück im Ring hat.

Frauen dürfen offiziell nicht am japanischen Sport teilnehmen. Sie dürfen nicht einmal den Ring betreten, da dies als unrein gilt – ein Tabu, das von der Japan Sumo Association aufrechterhalten wird. In der Meiji-Ära gab es zwar spezielle Sumo-Kämpfe für Frauen, die sich aber nie als offiziellen Wettkampf durchsetzten, sondern eher der Unterhaltung dienten.

Ungewisse Zukunft für den japanischen Sport?

Leider wollen heute immer weniger Männer Sumoringer werden, da das Training und das Leben im Lager sehr hart ist und sich damit schwer Geld verdienen lässt. Einige Sumo-Ringer waren sogar in Wettskandale mit der Yakuza, der japanischen Mafia, verwickelt und haben dadurch Fans verloren.

Pro Trainingslager wird inzwischen nur noch ein Ringer akzeptiert, der außerhalb Japans geboren ist. Einige der erfolgreichsten Ringer stammen aus der Mongolei, aus Südkorea oder Brasilien. Finanziell haben Ringer aus anderen Ländern mehr Motivation für den Sport: Früher war die Karriere als Sumo-Ringer eine Chance für Söhne aus armen Dorffamilien, Geld zu verdienen, heute gibt es solche Familien in Japan kaum noch. Mit dem Schrumpfen der Bevölkerungszahl gibt es auch immer weniger Sumoringer mit japanischen Wurzeln, besonders in den höheren Rängen.

Kleine regionale Lager, besonders für Kinder werden dagegen immer häufiger in Japan, besonders in Tokyo. Dort lernen auch Mädchen den Sport in ihrer Freizeit, der traditionelle Werte, körperliche und geistige Kraft und besonders Respekt vermitteln soll.

Tokyo Stadt Luftperspektive

Während viele Anhänger des Sports in Japan Modernisierung und Offenheit fordern, bleibt Sumo bislang als Tradition den alten Regeln und Werten treu. Das alles macht den japanischen Sport zu einem seltener werdendem Kulturgut, das trotz aller Schwierigkeiten jedoch bis heute nicht an Beliebtheit eingebüßt hat.

Zusammenfassung

Sumo ist eine fast 2000 Jahre alte Tradition aus dem Shintoismus, woran Rituale und symbolische Kleidung erinnern Der Charakter und die Regeln des japanischen Sports haben sich seitdem nach und nach entwickelt In Japan gibt es sechs professionelle Honbasho-Turniere im Jahr, in denen man Sumo erleben kann, daneben aber auch Tourneen und Amateur-Ringer Sumoringer trainieren ab ca. 15 Jahren in speziellen Lagern mit einem harten Alltag und üben den Sport meistens aus, bis sie in ihren 30ern sind Sechs Divisionen teilen die zahlreichen Ränge im Ozumo, dem professionellen Sumo, auf, wobei Yokozuna der höchste und seltenste Rang ist Das viele Fett dient nur dazu, das Gewicht der Sumoringer zu erhöhen – Muskeln können aber auch genauso gut Erfolg im Ring bringen Ozumo ist Männern vorbehalten und schränkt den Sport für Ausländer ein, trotzdem erreichen immer mehr Ringer von außerhalb Japans die höheren Ränge Erfolgreiche Sumoringer genießen mediale Aufmerksamkeit und eine breite Fangemeinde, müssen aber ihre Rolle bewahren und mit viel Anstrengung und Ausdauer ihren Platz im erbarmungslosen Rangsystem behaupten.

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