Waldbaden wie in Japan | Shinrin Yoku

Waldbaden wie in Japan | Shinrin Yoku

Zurück zur Natur finden, sich erholen und Gesundheit tanken. Beim Waldbaden wird nicht in Wasser getaucht, sondern in die Brise zwischen den Stämmen, die klar duftende Luft und das Rascheln schützender Kronen. Wir stellen Euch das Phänomen aus Japan vor und wie erklären, man selbst Übung im Waldbaden bekommt.

Ein japanischer Wellness-Trend

Die Japaner kennen die heilsame Praktik des Waldbadens schon seit den 1980er Jahren und nennen sie Shinrin Yoku. Geprägt wurde der Begriff vom Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei. Naturverbundenheit ist jedoch schon immer ein unverzichtbarer Teil der japanischen Kultur gewesen und ist dort weitaus kein neuer Trend mehr. Dabei ist es kein Wunder, dass gerade die Bewohner geschäftiger Metropolen wie Tokyo einen Weg brauchten, um die Menschenmengen, den Lärm und den Stress hinter sich zu lassen.

Die japanische Natur mit ihrer Vielfalt eignet sich hervorragend dafür. Bambuswälder, alpine Kiefernwälder, subtropische Inselwälder und riesige Nationalparks laden die Besucher zu ausgedehnten Wanderungen ein. Einige Städte in Japan sind als Standorte der Waldmedizin bekannt. Diese bieten geführte Touren an und haben manchmal sogar heiße Quellen. Dafür muss man nicht einmal die Umgebung von Tokyo verlassen.

Als Natur-Therapie kann Shinrin Yoku unter anderem Krankheiten entgegenwirken und sogar das Altern verlangsamen. Dank all ihrer positiven Wirkungen hat diese Art des Waldspaziergangs überall auf der Welt Einzug gehalten. Auch Deutschland mit rund einem Drittel Waldanteil bietet genug Möglichkeiten, seine Naturverbundenheit auszuleben. Nicht umsonst spielt der Wald in vielen Kulturen auf der ganzen Welt eine so große Rolle. Seine mystische Anziehungskraft und magische Wirkung ist lange in uns verwurzelt - nun haben sie auch eine wissenschaftliche Grundlage.

Waldbaden oder Spazierengehen - was ist der Unterschied?

Treppe durch den Wald

Waldbaden ist ein bisschen wie ein Waldspaziergang oder eine Wanderung, aber mit der zusätzlichen Komponente der Achtsamkeit. Der japanische Shinrin Yoku-Guide Tsuyoshi Masuzawa erklärt: "Waldbaden ist, die Natur zu fühlen. Wenn Du schnell gehst, dann kannst Du nichts fühlen." Alle Sinne sollen mitwirken: wie riecht der Wald, wie fühlt sich der Boden an, welche Farbe hat die Baumrinde, welche Vögel rufen zwischen den Ästen? Die Nuancen der Stille hören, die frische Luft tief einatmen und alle Details wahrnehmen - darum geht es beim Waldbaden.

Warum ist ein Aufenthalt im Wald eigentlich so gesund? Jeder weiß, dass es im Wald ruhiger und kühler ist als anderswo. Außerdem ist die Luftfeuchtigkeit viel höher, denn Bäume können eine massive Menge an Wasser verdunsten. Der Sauerstoffgehalt ist enorm hoch - das freut unsere Blutkörperchen und stärkt das Immunsystem. Die Waldluft enthält jedoch nicht nur viel Sauerstoff und Wasser, sondern auch duftende ätherische Öle und sogenannte Terpene: Wirkstoffe, die die Bäume produzieren, um ihre Artgenossen vor Schädlingen und Krankheiten zu warnen. Als Schutzmaßnahme aktivieren die anderen Bäume ihr eigenes Immunsystem.

Und ausgerechnet in Japan hat der - inzwischen weltweit führende - Waldmediziner Qing Li in einer Studie herausgefunden, dass das nicht nur bei Bäumen, sondern auch bei Menschen funktioniert. Seither wissen wir, dass der menschliche Körper ähnlich auf die Pflanzen-Signale reagiert wie die Bäume selbst: es werden mehr natürliche Killerzellen produziert, die Krankheiten bekämpfen, unser Blutdruck und unsere Herzfrequenz sinken, und es ist weniger vom Stresshormon Adrenalin in unserem Körper zu finden.

Doch nicht nur der Körper, auch der Geist profitiert von einem solchen "Bad". Die einen entspannen sich, kommen auf andere Gedanken und können besser schlafen, andere nehmen viel Energie und neue Ideen mit nach Hause. Die Ursache dafür liegt im Gehirn. Im Wald wird sein ruhigerer Teil aktiviert, der Parasympathikus. Dieser sorgt für Erholung, ist für Kreislauf und Stoffwechsel zuständig und stellt sicher, dass wir uns regenerieren können. Nicht zu vergessen das Glückshormon Dopamin, das in dieser Umgebung ausgeschüttet wird. Ein rundum positives Erlebnis.

Licht fällt durch Baumkronen

So kann man das Waldbaden lernen

Auch in Deutschland gibt es nun Kurse und Seminare, in denen man in der Gruppe und unter Anleitung waldbaden kann. Ein erfahrener Guide kann Dir beibringen, welche positiven Auswirkungen die einzelnen Pflanzen haben, was sich unter dem Laubhaufen verbirgt und was aus dem Wald man sogar essen kann. Sie kennen auch Shinrin Yoku-Übungen, mit denen man effektiv zur inneren Ruhe kommen und Kraft tanken kann. Dazu gehören neben Atemtechniken und Meditations-Einheiten sogar Yoga oder Tai Chi zwischen den Bäumen, ein Picknick oder ein Kunstkurs.

Ausprobieren kann das aber auch jeder für sich alleine. Alles, was Du dafür brauchst, ist Dein heimischer Wald und etwas Zeit. Mit diesen Tipps nimmst du das Maximum aus dem Waldbad mit:

  • Alles kann, nichts muss. Es geht darum, sich auf alles einzulassen, was Du erlebst - oder eben nicht erlebst. Jeder Mensch hat sein individuelles Waldbad-Erlebnis
  • Möglichst wenig mitnehmen. Lasse alle technischen Geräte nach Möglichkeit zu Hause und verlasse Dich auf Deine Sinne
  • Finde einen ungestörten Ort, der für Dich angenehm ist und an dem Du länger verweilen und umherwandern kannst
  • Konzentration auf alle Sinne. Nimm bewusst wahr, was Du siehst, hörst, riechst und spürst - ohne zu urteilen. Achte auf die Details und alle Arten von Leben im Wald
  • Immer mit der Ruhe. Gehe bedächtig, lasse alles auf Dich wirken und bleibe stehen, wenn Du etwas genauer betrachten möchtest
  • Atemübungen wie bei der Meditation können helfen: so lange wie möglich durch die Nase einatmen, den Atem einige Sekunden halten, dann geräuschvoll und langsam durch den Mund ausatmen
  • Es geht nicht allein um Bewegung oder um die Erreichung eines Ziels. Wo Du am Ende ankommst, ist egal, solange Du dich im Jetzt und Hier aufhältst und es genießt.
     

Ein Waldbad online oder aus der Ferne nehmen - auch das geht heutzutage. Zahlreiche wunderschön gefilmte Videos lassen Zuschauer an der Erfahrung teilhaben. Im Bücherregal finden wir zudem immer mehr Beststeller zum Thema wie den Biophilia-Effekt von Clemens G. Arvay und Das Geheime Leben der Bäume von Peter Wohlleben. Doch auch wenn das bloße Betrachten des Waldes und Lesen von Büchern darüber uns beruhigen kann, entfaltet sich die Wirkung trotzdem erst dann, wenn wir tatsächlich zwischen den Bäumen stehen und darin eintauchen.

Man muss keine Bäume umarmen, um Waldbaden zu erleben. Es reicht bereits, wenn wir alle öfter ins Grüne gehen, die Natur berühren und sie uns berühren lassen. Den Alltag Alltag sein lassen und zwischen den mächtigen Wurzeln zu unseren eigenen zurückfinden. Der Waldmediziner Qing Li rät dazu, sich pro Monat mindestens zwei Tage lang im Wald aufzuhalten. Bis heute sind Wissenschaftler dabei, zu erforschen, wie genau der Wald auf uns Menschen wirkt. Es gibt noch viel zu entdecken - warum nicht gleich damit anfangen?

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