Zehensocken aus Japan - Tabi
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Besondere Art der Fußbedeckung
Was macht einen Kimono komplett? Eine schöne Frisur, passende Accessoires – und Schuhe. Traditionell sind es in Japan Sandalen. Die einfache Version heißt Zori und wird aus Bambus geflochten, heute auch aus Stoff oder Plastik hergestellt. Es handelt sich hier um Arbeitssandalen, doch sie passen auch zu diversen Kampfkünsten. Zu edleren Kostümen trägt man dagegen hölzerne Geta mit einem höheren Absatz.
Wenn man sich die Füße der Japaner in diesen Sandalen anschaut, sieht man auch immer passende Socken. Diese sind meist einfarbig, gut geschnitten und knöchelhoch. Je enger, desto besser – ein wie angegossen sitzendes Kleidungsstück ist Teil der japanischen Ästhetik. Die Socken weisen noch eine Besonderheit auf: Um sie optimal zu Sandalen tragen zu können, ist der große Zeh von den anderen getrennt. Solche Zehensocken nennt man Tabi. Was für uns ungewohnt oder gar unbequem erscheint, birgt viel Gutes für die Gesundheit und hat eine lange Tradition. Die Geschichte der japanischen Zehensocken ist aber auch heute noch nicht zu Ende erzählt.
Welche Socken sind für wen?
Im 15. Jahrhundert öffnete Japan den Handel mit China und konnte unter anderem Baumwolle importieren, die zuvor im Land der aufgehenden Sonne nur sehr karg vorkam. Nach und nach entwickelte sich eine Massenproduktion: Konnten sich zuerst nur Wohlhabende Baumwollsocken leisten, trugen sie im 16. Jahrhundert alle – vom Bauern bis zum Adeligen.
Traditionelle Tabi sind aus festerem Material als gewöhnliche Socken und werden hinten mit zwei, drei oder vier Haken geschlossen. Es gibt auch eine Variante, die vorne verschnürt wird. Diese Kategorie wird, obwohl sie älter ist, oft für informelle Anlässe getragen. Heute sind vor allem dehnbare Tabi ohne Verschluss üblich, die aus Latex und Elasthan bestehen.
Generell gibt es, im Gegensatz zum Rest der Kleidung, keinen Unterschied zwischen Tabi-Socken für Damen und Herren. Die Farbe hat allerdings auch heute noch traditionell eine Bedeutung: Als Tabi für alle erschwinglich wurden, wurde Blau überall von der Gemeinheit getragen. Weiß gehörte zu offiziellen Anlässen wie der Teezeremonie und Hochzeiten. Samurai durften als höhergestellte Klasse alle Farben und Muster anziehen, ebenso wie Unterhaltungskünstler, die passend zu ihrem Beruf bunte Zehensocken mit farbenfrohen Mustern trugen. Nur die Farben Purpur und Gold waren Adeligen vorbehalten. Samurai konnten ihre Tabi zusätzlich noch als Teil der Rüstung mit Eisen ausstatten, an der Sohle und auch außen herum. So war ein optimaler Schutz gewährleistet.
Heute findet man diese traditionelle Fußbekleidung vor allem im Kampfsport wie etwa Ninjutsu und in sehr formellen Kostümen. Legere Varianten, etwa aus Baumwolle, sind Favoriten im Alltag oder bei informellen Kimono – oder als bequemes Accessoire für den Alltag zu Hause.
Zehensocken haben Evolution
Zu kaufen gibt es Tabi inzwischen in allen erdenklichen Kategorien und Mustern, auch für Touristen und Fans der Popkultur – von einfarbigen Modellen über traditionelle Motive bis hin zu bunten Anime-Szenen ist alles möglich. Diese Fixation auf Socken in der japanischen Gesellschaft rührt daher, dass beim Betreten eines Hauses immer die Schuhe ausgezogen werden müssen – daher bekommt man hier die Socken wesentlich öfter zu sehen als in anderen Kulturen. Zu einem Outfit gehören also immer schöne, gepflegte Socken, wenn man einen guten Eindruck machen will. Außerdem gilt es als sehr unfein, barfuß auf Tatami-Matten zu laufen, mit denen japanische Häuser traditionell ausgelegt sind. Baumwollsohlen bieten sich dafür an, da die empfindlichen Matten so geschützt werden.
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Für besondere Zwecke gibt es auch Zehenschuhe: Hohe Tabi aus Leder, Baumwolle oder Kunststoff. Meist haben diese eine feste Sohle aus Gummi und heißen Jika Tabi. Sie tauchten erst um die Wende des 20. Jahrhunderts auf, als Gummi zur Massenware wurde. Diese Zehenschuhe umfließen wie die Socken den Fuß und Knöchel, und werden hinten mit Häkchen geschlossen. In diesen ist man sehr beweglich und leise, spürt den Boden, hat festen Grip und ist dennoch geschützt. Oft werden sie im Kampfsport eingesetzt, weshalb sie als „Ninja-Tabi“ gelten. Aber auch Bauarbeiter, Farmer und Gärtner beispielsweise tragen gern noch heute diese Schuhe. Praktisch ist auch, dass man mit solchen Tabi Dinge zwischen den Zehen halten kann, um die Hände frei zu haben. Für Reisfelder und feuchte oder matschige Arbeitsorte bieten sich besonders Tabi an, die komplett aus Gummi bestehen.
Tabi erobern die Welt – und noch ein bisschen mehr
Immer noch nicht genug? Wie wäre es mit Tabi-Pantoffeln, Turnschuhen oder Stiefeln? Es gab nicht wenige, die sich vom interessanten Look der Zehensocken inspirieren ließen. Der japanische Schuhhersteller Onitsuka, heute als Asics bekannt, stellte als erster Turnschuhe mit Zehentrennung her. Sie bescherten einem ihrer Träger sogar gewaltigen Erfolg: Im Jahr 1951 gewann der Japaner Shigeki Tanaka den Boston Marathon – und trug dabei die Tabi-Turnschuhe. Sport- und Outdoor-Firmen wie Nike in den USA versuchten, auf den Tabi-Zug aufzuspringen. Der Erfolg hielt sich aber zuerst in Grenzen, was wahrscheinlich an der Stimmung gegenüber Japan nach dem Zweiten Weltkrieg lag.
Dennoch hat der Trend bis heute nicht Halt gemacht – zumindest in Europa. Der belgische Modedesigner Martin Margiela entwarf in den 80ern seine berühmten Stiefel mit Zehentrennung, angelehnt an die japanische Mode. Galliano verkauft Tabi-Stilettos in der diesjährigen Frühlingskollektion. Und was macht Asics heute eigentlich? Sie stellen spezielle Schuhe für Astronauten der JAXA her (Japan Aerospace Exploration Agency). Tabi gibt es also bald auch im Weltraum.
Inzwischen haben sich Spanier noch eine extremere Variante der Zehensocken einfallen lassen: Eine Version für alle fünf Zehen, die sogenannten Fivefingers. Sie sollen den Kreislauf anregen und Entzündungen vorbeugen, besonders wenn man die Zehensocken zum Sport trägt. Leider haben sich diese Socken in Japan nicht sehr bewährt. Das liegt vermutlich daran, dass Zehenlängen eine individuelle Sache sind und sich niemand die Zehen einengen lassen möchte. Aber Schuhe für alle fünf Zehen aus Gummi, wie etwa von der Firma Vibram, sind in Europa dennoch beliebt.
Warum Tabi tragen?
Auch wenn man keinen Marathon laufen oder Astronaut werden möchte, gibt es gute Gründe, Tabi zu tragen, besonders die festere Variante. Man tut der Gesundheit etwas Gutes: Die veränderte Fläche sorgt für mehr Stabilität und Gleichgewicht. Die dicke Sohle trainiert die Fußmuskeln, gleichzeitig werden die Füße massiert und Reflexzonen angeregt, die direkt mit dem Gehirn verbunden sind. Diese Verbindung wird besonders dem großen Zeh nachgesagt. Da dieser nicht eingeengt ist, wird weniger Druck auf die Füße ausgeübt. Schließlich müssen die den ganzen Körper tragen, und eine gute Fußhaltung überträgt sich auf die Wirbelsäule, die für einen gesunden Rücken elementar ist.
Ob man Zehensocken für Sport, Freizeit oder besondere Anlässe und Kostüme trägt – Tabi-Socken bereichern jeden Kleiderschrank und tun den Füßen etwas Gutes. Vielleicht denken Sie an ihre unglaubliche Geschichte, wenn Sie das nächste Mal diese lustige Fußbekleidung entdecken. Wer hätte gedacht, dass Socken spannend sein können?
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