Minimalismus als Lebensstil und im Design
Die gängige Interpretation von Minimalismus, wenn es um den Lebensstil geht, ist – in aller Kürze – Vereinfachung, mehr Selbstbewusstheit und Freiheit durch Verzicht. Gemeint ist der Verzicht auf Konsum. Man kann sich die Frage stellen, ob in dem Wort Verzicht und dem Mehr an Selbstbewusstheit und Freiheit nicht ein grundsätzlicher Gegensatz steckt. Auch die Frage, ob die Entscheidung, minimalistisch zu leben, zwingend mit einer Beschränkung und den begleitenden Gefühlen einhergehen soll, ist erlaubt. Aus den Regeln, die in der Designwelt gelten, haben wir eine andere Interpretation von Minimalismus abgeleitet. Wir formulieren in einer Art und Weise, die aus unserer Sicht sehr viel näher an positiven Gefühlen und Empfindungen liegt. Minimalismus ist die Konzentration auf das Wesentliche.
„Weniger ist mehr“ drückt aus, dass es gelingen sollte, Unwesentliches beiseite zu lassen, um den Blick für das Wesentliche frei zu machen. Oder Belastendes weg zu schaffen, um Bereicherndes wahrzunehmen. Ob man diese Orientierung annimmt, dies als Regel für Formgebung, Design, Kochrezepte, Produktentscheidungen oder sein ganzes eigenes Leben anwendet, ist die freie Entscheidung freier Menschen.
„Die neue Sachlichkeit“ war eine Idee, die den Begründern von „Bauhaus“ als Grundlage diente. Und die Architekten und Designer, die dieser Idee folgten, schufen - vielleicht ohne es in erster Linie zu beabsichtigen - eine neue Emotionalität. Puristische Gestaltung, minimalistisches Design offenbarte eine hohe und sehr intensive emotionale Komponente, die als befreiend und bereichernd empfunden wurde. Weniger ist tatsächlich mehr, wenn ich das, was da ist, bewusster und intensiver wahrnehmen und genießen kann. Weniger ist tatsächlich mehr, wenn weniger Produkte mit mehr Herzblut, Begeisterung und Kunstfertigkeit geschaffen wurden. Weniger ist tatsächlich mehr, wenn dieses Weniger mehr wertgeschätzt wird, bessere Pflege und Aufmerksamkeit erfährt und uns länger begleitet.
Und wie viel ist nun gerade genug? Vermutlich ist dies nur mit eigener Bewusstheit herauszufinden. Für jeden Menschen sitzt die Grenze an einer anderen Stelle. Ohne Bewusstheit überschreitet man „unbemerkt“ die Grenze und fühlt sich belastet statt bereichert. Beschäftigt man sich intensiv mit sich, seinem Leben und seinen Bedürfnissen, mit Dingen, die von Wert sind, die mit Aufmerksamkeit und Wertschätzung geschaffen wurden statt mit billiger Massenware, kommt man seiner Bewusstheit wahrscheinlich deutlich näher. Stellt man sich Fragen wie: „Wie wichtig ist es mir?“, „Ist das Produkt auf Nachhaltigkeit und Lebensdauer ausgelegt?“, „Ist zeitlos schön besser als gerade in Mode?“, „Werde ich vermutlich lange Freude daran haben?“